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Minimal-invasive motorisierte
Instrumente
Dr.-Ing. Bastian Blase
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In den letzten zwei Jahrzehnten
hat sich die minimal-invasive Chirurgie (MIC) in vielen Bereichen
gegenüber der offenen Chirurgie durchgesetzt. Verglichen mit dieser
führt die MIC für den Patienten zu weniger Schnitten und Narben und
damit einem deutlich reduzierten Trauma. Daraus resultieren zumeist
kürzere Rekonvaleszenzzeiten und geringere Behandlungskosten für die
Krankenhäuser. Dennoch werden für diese Technik nach wie vor mehrere
Zugänge benötigt, die jeweils mit einem gewissen Infektionsrisiko
behaftet sind und mit zunehmender Anzahl die postoperativen Schmerzen
und die Rekonvaleszenz verlängern.
Mit Hilfe von
Single-Port-Eingriffen kann man die Anzahl der benötigten Zugänge und
die damit einhergehenden Risiken der Keimverschleppung auf nur einen
Einschnitt verringern. Während dies bei einem Zugang durch den
Bauchnabel durchaus kosmetische Vorteile bietet, werden dabei der
Arbeitsraum und die Beweglichkeit des Chirurgen jedoch noch weiter
reduziert, was Instrumente nötig macht, die eine größere
Bewegungsfreiheit innerhalb des Bauchraums aufweisen. Rein manuell
gesteuerte Instrumente, die mit zusätzlichen Gelenken ausgestattet
sind, weisen starke Reibungen im Schaft auf und lassen damit ein
direktes Gespür für die aufgebrachten Kräfte immer weniger zu.
Gleichzeitig sind sie zunehmend unergonomisch und schwer zu bedienen.
Beides wirkt sich negativ auf die benötigte Geschicklichkeit und das
Ergebnis aus. Um den Anwender nicht zu überlasten und damit unnötige
Risiken einzugehen sowie die Lernintervalle zu verkürzen, bietet eine
telemanipulative motorisierte Ansteuerung die Überwindung dieser
Herausforderungen.
Der entwickelte
AKIM-Telemanipulator besteht aus der Instrumentenplattform mit
angeschlossenen Instrumenten (Slave) und einer Bedienkonsole mit
Eingabegeräten und Bildschirm zur Steuerung der Instrumente sowie zur
visuellen Kontrolle (Master). Die Antriebsmotoren für die Instrumente
liegen in der oberhalb des Patienten platzierten Plattform und
übertragen die Energie in die unabhängig voneinander anschließbaren
Instrumente.
AKIM-Chirurgiesystem
mit Bedienkonsole und Eingabegeräten im Vordergrund
sowie Plattform mit Instrumenten im Hintergrund und rechts
Für den Single-Port-Zugang werden
die Instrumente parallel dicht nebeneinander in das Abdomen
eingebracht. Im Gegensatz zu einer überkreuzenden Zugangsweise lassen
sich dadurch Kollisionen zwischen den Schäften vermeiden und das Gewebe
am Trokar wird weniger belastet, die fehlende relative Winkelbewegung
zwischen den Instrumenten schränkt jedoch deren Bewegungsraum
zusätzlich ein. Dennoch wird dadurch der Gesamtbauraum direkt außerhalb
des Patienten erheblich reduziert, was in Notfällen die Zugänglichkeit
und Konversion zu einer offenen Operation deutlich
erleichtert.
Sind die Instrumente durch den
Trokar gebracht, bewegen sie sich erst auseinander und anschließend
wieder aufeinander zu, um so an der Spitze eine triangulierende
Arbeitsposition einzunehmen, wie sie ChirurgInnen bereits aus der MIC
gewohnt sind. Die Plattform nimmt nur einen geringen Raum am Patienten
ein, da die Bewegungsfreiheitsgrade alle in den Körper verlagert
werden. Die dafür benötigte Gelenkigkeit im Instrumentenschaft wird
nicht über flexible Multisegmentketten realisiert, sondern über starre
Segmente mit einachsigen Gelenken dazwischen.
Zugangsweg
(parallel) und
Gestaltungsform der Instrumentenarme (segmentierte
Schäfte)
Die Instrumente bestehen aus einer
Armstruktur, die den Umfang des Bewegungsraums festlegt und die
gelenkig mit einem Manipulator verbunden ist, der die
Feinpositionierung am Eingriffsort vornimmt und direkt mit Gewebe in
Kontakt ist. Neben der Betätigung des Werkzeugs stehen zu dessen
Positionierung insgesamt fünf Freiheitsgrade zur Verfügung. Die
Armstrukturen sind mit einer neuartigen Stützkinematik ausgestattet,
die hohe Beweglichkeit mit ausreichender Stabilität in jeder Position
verbindet.
Bewegungsbahn
der selbststützenden Armstruktur
zweier Instrumente (ohne Manipulator
dargestellt)
Um dem Anwender eine bestmögliche
Beweglichkeit im Bauchraum zu bieten, wurden die Segmente der den
Bewegungsraum definierenden Arme dafür optimiert. Wie aus einer
früheren Bewegungsstudie bei Gallenblasenentfernungen an Schweinen
festgestellt wurde, findet die eigentliche Bearbeitung im Bauch in
einem Zielgebiet von nur ca. 50 Millimeter Kantenlänge statt. Die
Instrumente
wurden anhand zweier geometrischer Parameter, der seitlichen Position
der Spitze und ihrem Neigungswinkel gegenüber dem Trokar, darauf
optimiert, einen möglichst großen Geschicklichkeitsraum zu erreichen.
Dieser ist Teil des Bewegungsraums und umfasst alle Orte, an denen die
Ausrichtung der Spitze um mindestens 60° variiert werden kann. Auf
diese Weise ist innerhalb dieses Raums eine erhöhte Geschicklichkeit
für den Chirurgen gewährleistet. Werden beide Parameter übereinander in
einem Diagramm aufgetragen, ergibt sich eine grafische Darstellung
dieses Raums. Durch Variation aller geometrischen Längen der einzelnen
Schaftsegmente entstanden Millionen von Armkonfigurationen, jede mit
einem eigenen zugehörigen Diagramm. Über Bildauswertungsalgorithmen
wurde die Konfiguration gefunden, die den größten Geschicklichkeitsraum
aufweist. Derart optimierte Instrumente weisen gegenüber dem zuvor
definierten Zielraum einen zwölffach größeren Bewegungs- und einen
4,5-fach größeren Geschicklichkeitsraum auf.
Parameter
zur Bewertung des Geschicklichkeitsraums (links)
mit Beispiel des Bewegungsumfangs (rechts)
Volumina
in isometrischer (links) und Diagrammdarstellung (rechts)
Auch die Manipulatoren wurden
speziell für die Instrumente entwickelt und weisen Getriebestufen und
Spindelgetriebe auf, um eine entkoppelte Betätigung der einzelnen
Freiheitsgrade an der Spitze zu ermöglichen.
Detailansicht
der Modelle und der Prototypen von drei entwickelten Manipulatoren
Die spezielle Bewegungsform der
Instrumente erfordert angepasste Antriebsstränge, die eine Entkopplung
von gewünschten und unerwünschten Bewegungen ermöglicht. Durch eine
Übertragung von Drehmomenten im Innern und gleichzeitigen axialen
Ausgleichselementen können sich die Stränge in ihrer Länge an die
jeweilige Stellung anpassen, ohne falsche Stellungen zu erzeugen. An
der Plattform werden die Instrumentenarme über einen definiert
einrastenden Universalanschluss unabhängig voneinander fixiert und
gelöst. Dieser Koppelvorgang schließt und trennt sowohl die
mechanischen als auch die elektrischen Kontakte zum
Instrument.
Innere
Struktur zweier Instrumente mit starren und flexiblen
Antriebssträngen sowie mit Axialausgleichen
Die Flexibilität entlang der
Übertragungsstrecke im Innern wird über flexible Wellen gewährleistet.
Dadurch kann es in manchen Situationen jedoch zu einem lastbedingten
Torsionsversatz zwischen An- und Abtriebsende kommen. Daher sind die
Instrumente mit dafür entwickelten integrierten magnetischen
Positionssensoren ausgestattet, die am Gelenk selbst die Stellung
messen und dadurch ein Nachführen erlauben. Außerdem sind
Kollisionssensoren entstanden, die präventiv eine Annäherung an
organisches Gewebe erfassen, bevor dies, im ungünstigsten Fall,
außerhalb des Sichtbereichs des Chirurgen passiert.
Beispiel
für integrierten Positionssensor,
hier: Messung des
Greiferöffnungswinkels
Integrierter
Fasersensor zur frühzeitigen Detektion von Kollisionen mit Gewebe
Verletzungen des Patienten und
eine Verschleppung von organischem Material durch die ungewöhnliche
Schaftstruktur lassen sich durch konfektionierte Schutzhüllen aus
besonders elastischen Werkstoffen vermeiden, welche die Instrumente in
ihrer Beweglichkeit nicht einschränken. Mehrere Prototypen wurden in
repräsentativen Laborexperimenten erfolgreich auf ihre Einsatzfähigkeit
getestet. Dabei konnte sowohl die vorgesehene Belastbarkeit als auch
der erreichbare Bewegungsumfang bestätigt werden. Spezielle
Pick-and-Place- oder Übergabetests vermitteln ein Gespür für die
Geschicklichkeit der Instrumente.
Pick-and-Place-
bzw. Übergabetests im Laborexperiment
Das AKIM-System ist damit ein
vielversprechendes telemanipulatives Chirurgiesystem mit einer Vielzahl
bisher nicht bekannter Eigenschaften und Vorteilen, es bildet in dieser
Kombination einen einzigartigen technologischen Ansatz zur Lösung von
Herausforderungen in der Single-Port-Laparoskopie. Beispielsweise hat
die intensive Betrachtung der Instrumente mit dem erzielten Konsens aus
Festigkeit und Flexibilität einen wesentlichen Nachteil der
Single-Port-Chirurgie überwunden, der bislang einer größeren
Verbreitung dieser Technik im Wege stand und die es den Chirurgen nicht
erlaubt, ähnlich gute Ergebnisse bei der Behandlung zu erzielen, wie
sie in den letzten Jahrzehnten in der Multi-Port-Chirurgie etabliert
sind. Die beschriebenen Entwicklungen haben dieses Ziel erreicht, ohne
dafür wichtige andere Parameter, wie Widerstandsfähigkeit oder
Baugröße,
zu missachten. Werden diese Technologien zu neuen Instrumentensystemen
vorangetrieben, so steigen für Chirurgen die Chancen, für die jeweilige
Behandlung stets das optimale Instrument einzusetzen.
Schematisches
AKIM-Chirurgiesystem mit Eingabekonsole (links)
und Instrumenteneinheit (rechts)
Weitere Details über das
entwickelte System und die erzielten Ergebnisse sind in meiner
Dissertation nachzulesen:
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