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Neuartiger positionsgeregelter Linearantrieb
Dr.-Ing. Martin Kelp
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Die
Drehbewegung eines Schwenkprismas an der Spitze eines Endoskops erlaubt
dem Arzt einen Winkelbereich von 90 Grad im Seitenblick zu
überstreichen. Diese Drehbewegung erfolgte bisher manuell durch den
Chirurgen, so dass dessen Hände für den Eingriff nicht zur Verfügung
standen. Dagegen erlaubt ein neuartiger positionsgeregelter Linearaktor
die motorisierte Änderung der Blickrichtung während einer Operation.
Der behandelnde Chirurg erhält somit die Möglichkeit, über die Kopplung
mit Mensch-Maschine-Schnittstellen, beispielsweise durch Kopf-, Augen-,
Gesten- oder Sprachsteuerung, den Blickwinkel zu variieren.
Der Lineardirektantrieb befindet sich am proximalen Ende des Endoskops und bringt Stellkräfte in Richtung xA auf, um über eine Zug-Druck-Draht-Kopplung die Winkeleinstellung φm
des Schwenkprismas an der Endoskopspitze durchzuführen. Über
Hallsensoren im Stator des Antriebs lässt sich die Aktorposition
präzise messen und damit auch regeln.

Schwenkprismenendoskop mit einem geregelten Linearantrieb
Die
Entwicklung der Linearantriebe erfolgte anhand von
Finite-Elemente-Modellrechnungen mit dem Programm ANSYS Maxwell. Dabei
wurden der Verfahrweg des Läufers, die Antriebskraft und die
magnetische Induktion im Hallelement sowie deren Änderung geeignet
angepasst. Diese wichtigen Größen lassen sich nicht getrennt
voneinander optimieren. Es ist vielmehr eine ganzheitliche Betrachtung
des magnetischen Kreises erforderlich.

Modell für FE-Rechnungen: 2D-Modell (links) und 3D-Modell (rechts)
Zwei
Permanentmagnete in Reihe erzeugen in der Kupferspule des Stators die
magnetische Induktion für den Antrieb des Läufers. Die Hallsensoren
(rot eingefärbt) befinden sich radial angeordnet in symmetrisch
ausgefrästen Nuten an den axialen Enden des Stators.
Der Antrieb ist so ausgelegt, dass im
stromlosen Zustand keine axial gerichteten Reluktanzkräfte wirken. Wird
die Spule des Antriebs mit einem elektrischen Strom versorgt, entsteht
eine Lorentzkraft, die den Läufer unabhängig von dessen Position je
nach Stromrichtung nach links oder rechts beschleunigt.
Kraft-Weg-Kennlinie des Antriebs
Eine
gesteuerte Positionierung des Läufers über die Stromstärke ist nicht
möglich. Für eine genaue Bestimmung und Einstellung der Position wird
die Magnetfeldmessung durchgeführt, da sich die magnetische Induktion
im Hallsensor wegabhängig verändert.

Magnetische Induktion in der Sensorebene
für die Läuferpositionen 0,5 mm, 1,0 mm, 1,5 mm, 2 mm
Nach dem Aufbau des ersten Prototypen
entstand ein zweites Funktionsmuster, welches deutlich kompakter ist
als der erste, da im Läufer nur noch ein Permanentmagnet eingebaut ist.
Die magnetische Induktion wird mit Hilfe von zwei miniaturisierten
Hallsensoren in SMD-Bauweise (Surface Mounted Device) gemessen, woraus
sich die Position des Läufers bestimmen lässt.
Modell für FE-Rechnungen: 2D-Modell (links) und 3D-Modell (rechts)
Die Bestimmung der Ist-Position xA(t)
dient als Grundlage für die geregelte Bewegung des Läufers. Die
Positionsabweichung e(t) berechnet sich aus der Differenz der Soll- und
der Ist-Position. Aufgrund dieser Abweichung leitet der Regler einen
Verstellvorgang ein, der zur Reduktion der Regelabweichung führt. Die
Stellgröße uS(t) zur Erzeugung einer Lorentzkraft im Linearantrieb wird je nach Regleraufbau unterschiedlich berechnet.

Regelkreis zur Positionsregelung des Linearantriebs
Für die Fertigung der Komponenten
des Antriebs kamen konventionelle Methoden der Feinwerktechnik zum
Einsatz. Neben Feindrehen und Fräsen für die spanende Verarbeitung
wurden die Gleitflächen poliert. Die Spulen wurden mittels
Linearwickeltechnik hergestellt.
Der
erste Antrieb besteht aus einem festen Stator und einem beweglichen
Läufer. Der Zugdraht des Schwenkprismas ist mit dem Läufer verbunden.
Die beiden Hallsensoren zur Magnetfeldmessung sind über eine Platine
miteinander verschaltet und am Rückschlussrohr des Stators angebracht.
CAD-Modell des ersten Funktionsmusters des Linearantriebs im Endoskop

Erstes Funktionsmuster des Linearantriebs
Nach
der Fertigstellung des ersten Linearantriebs erfolgte dessen
experimentelle Untersuchung. Sodann wurde der zweite, deutlich kleinere
Prototyp aufgebaut.
CAD-Modell des zweiten Funktionsmusters im Endoskop (links),
Sensorhaltering mit Hallsensoren und Versorgungsplatine (rechts)

Zweites Funktionsmuster: Stator und Läufer (links),
Sensorhaltering mit SMD-Hallsensoren (rechts)
Umfangreiche Funktionstests zur Ermittlung
der Positioniergenauigkeit zeigen, dass ein präzises Einstellen des
Prismenwinkels zur Steuerung der Blickrichtung des Endoskops mühelos
gelingt.
Gemessener Schwenkwinkel φm bei vorgegebener Sollposition,
Positionsregelung mit Aktor
Alle Komponenten der Linearantriebe sind
hitzebeständig und überstehen den Autoklavierprozess unbeschadet. Bei
den Linearantrieben handelt es sich um funktionsangepasste
mechatronische Systeme, da sie direkt für den Einbau im vorhandenen
Endoskop entwickelt wurden. Sie ermöglichen eine präzise Positionierung
des Schwenkwinkels, ohne die Außenmaße des Schwenkprismenendoskops zu
vergrößern.
Aufgrund des großen Potentials der positionsgeregelten Linearantriebe
wurde die zugrunde liegende Erfindung zum Patent angemeldet.
Weitere Einzelheiten der Entwicklung lassen sich meiner Dissertation entnehmen:
Abhandlungen
zum Einsatz elektromechanischer Antriebe bei Endoskopen mit variabler
Blickrichtung sowie zu Entwicklungen der 3D-Endoskopie
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