Kabelloses medizinisches Chip-on-the-Tip-Stereoendoskop

Dr.-Ing. Robert Dreyer genannt Daweke

Dr.-Ing. Martin Kelp


Für die minimal-invasive Chirurgie werden in der Laparoskopie aktuell Stablinsenendoskope mit aufgesetzter HD-Kamera und externen Halogen- oder Xenon-Kaltlichtquellen verwendet, welche helle und detailreiche Bilder aus dem Körperinneren liefern. Diese Endoskope weisen eine Reihe von Nachteilen auf. Dazu zählt das schwere Lichtleitkabel, welches meist senkrecht vom Endoskop absteht und die Bewegungen behindert. Hinzu kommt das Kamerakabel zur elektrischen Versorgung und zur Übertragung der Bildsignale. Die erforderlichen Lichtquellen sind teuer und wartungsintensiv. Da die Kamera nicht autoklavierbar ist, muss sie mit einem sterilen Drape überzogen werden, wodurch die Operationsvor- und -nachbereitung verlängert wird. Weiterhin ist die Kamera vergleichsweise schwer, so dass es bei längeren Operationen schwierig ist, das Endoskop ständig ruhig zu halten. Bei rauer Behandlung besteht die Gefahr, dass die bruchempfindlichen Stablinsen brechen. Die üblichen Endoskope liefern nur ein zweidimensionales Bild, wodurch die Tiefenwahrnehmung einschränkt und das Einschätzen von Abständen erschwert wird.

Unsere Medizintechnik-Gruppe hat ein 3D-Endoskop aufgebaut, welches sämtliche Nachteile aktuell erhältlicher Laparoskope behebt. Durch die Verwendung zweier miniaturisierter Videokameras an der Endoskopspitze liefert es stereoskopische Bilder. Mit LEDs an der Frontfläche entfallen Lichtleitkabel und Kaltlichtquelle. Die stereoskopischen Bilder werden per Funk an den Bildprozessor übertragen und auf einem 3D-Bildschirm dargestellt. Da die Energieversorgung über Akkus erfolgt, benötigt das neuartige Endoskop keine einzige Kabelverbindung. Die eingesetzten Komponenten sind extrem leicht, womit eine gute Handhabbarkeit gewährleistet ist. Der Schaftdurchmesser beträgt wie bei üblichen Endoskopen zehn Millimeter.

Bei der Betrachtung von Gegenständen hat der Mensch ohne optische Hilfsmittel keine Probleme mit der Tiefenwahrnehmung. Dagegen kann es bei der Nutzung von 3D-Endoskopen zu Beeinträchtigungen bis zur Übelkeit kommen, da Kamera- und Augenabstand sowie die reale, bzw. die auf dem Bildschirm sichtbare Objektgröße nicht übereinstimmen. Um dies zu vermeiden und den bestmöglichen Komfort für den Anwender zu erzielen, wurden die Parameter des stereoskopischen Systems sowohl theoretisch als auch mit Hilfe einer empirischen Studie ausgelegt, um die in der Laparoskopie üblichen Objektabstände dreidimensional abzubilden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die korrekte Ausrichtung der beiden Teilbilder zueinander. Um dies zu gewährleisten wurden die optischen Systeme mechanisch ausgerichtet und mittels Software korrigiert.

Es gibt kontroverse Diskussionen zum Nutzen der 3D-Wahrnehmung in der minimal-invasiven Chirurgie. Der tatsächliche Vorteil lässt sich leicht aufzeigen, wenn es dem Anwender gelingt, die Instrumente genauer oder schneller zu führen. Dies haben wir mit Hilfe von Probanden untersucht, deren Aufgabe es war, mit Instrumenten Objekte gezielt zu manipulieren. Das Ergebnis ist eindeutig: etwa 90 Prozent der Testpersonen empfanden die Aufgabe mit 3D-Bild „wesentlich einfacher“ lösbar als mit einem 2D-Bild. Die übrigen zehn Prozent fanden es „einfacher“. Niemand bevorzugte die rein zweidimensionale Darstellung.

Testumgebung zur Untersuchung des Stereo-Eindrucks

Das von uns entwickelte Endoskop ist ein Prototyp, welcher die Machbarkeit sowie die Vorteile des Ansatzes zeigen soll. Autoklavierbar ist das Endoskop noch nicht, da für eine einfache Demontage auf spezielle Dichtungen verzichtet wurde. Mit der aktuell eingesetzten Technik zur Bildübertragung lassen sich noch nicht die hohen Anforderungen im OP-Saal erfüllen. Allerdings sind hierfür medizinisch zugelassene hochwertige Übertragungssysteme bereits verfügbar.

Der vorgestellte Endoskop-Prototyp zeigt, wie die Endoskopie der Zukunft aussehen kann. Stereoskopische Bilder erlauben es dem Chirurgen aufgrund des 3D-Eindrucks präzise zu operieren, und das komplett kabellose Endoskop sichert dabei die volle Bewegungsfreiheit.