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Positioniereinheit für eine Stereoendoskopkamera
Dr.-Ing. Martin Kelp
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Neben
3D-Endoskopen, bei denen sich zwei Kamerachips an der Endoskopspitze
befinden, werden Stereoendoskope auch mit zwei Optikkanälen in
Kombination mit einer proximalen Stereokamera aufgebaut. Gegenüber dem
einfachen und kompakten Aufbau von Chip-on-the-Tip-Systemen bieten
externe Stereokameras mehr Bauraum, wodurch sich große
lichtempfindliche Bildsensoren in HD-Auflösung einsetzen lassen, die
eine bessere Bildqualität erzeugen als die Mini-Bildaufnehmer der
Chip-on-the-Tip-Technik.
Im Verlauf eines Forschungsprojekts wurde ein
neuartiges 3D-Endoskop-System, bestehend aus einem Stablinsenendoskop
mit zwei Optikkanälen und einer Stereokamera, aufgebaut. Die
Stereokamera beinhaltet zwei Objektive mit beweglichen optischen
Linsengruppen zur Scharfstellung der Stereopaarbilder und zwei
CCD-Kameras. Eine neue Stelleinrichtung zur Bewegung der Linsengruppen
erlaubt die gleichlaufende Positionierung der beiden Fokuslinsengruppen
in beiden Optikkanälen.

Stereoendoskopie-System mit Positioniereinheit für bewegliche Linsengruppen
Mit dem Ziel der Autoklavierbarkeit des
Endoskopiesystems müssen die beiden Optikkanäle dampfdicht verschlossen
werden. Beide bewegliche Linsengruppen, die Bildaufnehmer und die
starren Linsengruppen befinden sich deshalb in zwei voneinander
getrennten Hülsen, die hermetisch gekapselt sind. Unabhängig von der
Dampfdichtigkeit wird eine hohe Positioniergenauigkeit bei der Bewegung
der Fokussiereinheiten gefordert. Der Versatz zwischen den beiden
beweglichen Linsengruppen darf in allen Positionen nur wenige
Mikrometer betragen, damit die Teilbilder des Stereobildpaars
identische Bildschärfen aufweisen.
Kräfte lassen sich anhand von magnetischen
Kupplungen in dampfdichte Gehäuse übertragen, so dass die Bewegungen
außerhalb der hermetischen Kapselung auch im Innern des Gehäuses
ablaufen, um beispielsweise optische Elemente zu bewegen.
Das Konzept für die synchrone Linsenbewegung in
einer Stereoendoskopkamera sieht die Verwendung von zwei magnetischen
Kupplungen vor, die durch einen spindelgetriebenen Schlitten bewegt
werden.

Konzept der Positioniereinheit: Spindeltrieb mit linearer Magnetkupplung
Eine Gewindespindel überführt die
Rotationsbewegung eines Elektromotors in eine Linearbewegung des
Schlittens, in dem die äußeren Magnetgruppen montiert sind. Bei einer
Längsbewegung des Schlittens werden die Magnetgruppen im Inneren der
beiden optischen Kanäle der Stereokamera durch Reluktanzkräfte
mitbewegt, so dass die axiale Bewegung des Schlittens zu einer
identischen Linearbewegung der Linsengruppen in den beiden Optikkanälen
führt.

Schematische Ansicht der linear wirkenden magnetischen Kupplung,
Längsschnitt (links) und Querschnitt (rechts)
Im Grundzustand befinden sich die Polschuhe der
Kupplungsteile genau gegenüber. Die magnetischen Feldlinien verlaufen
radial durch den Luftspalt und die Gehäusewand. Aufgrund der
Reluktanzwirkung entstehen radiale Grenzflächenkräfte Frad.
Da der magnetische Kreis aus ideal konzentrischen
rotationssymmetrischen Komponenten aufgebaut ist, beträgt die
resultierende Reluktanzkraft im Grundzustand Null.

Erläuterung zur longitudinalen Kraftwirkung der Reluktanzkraft,
Gleichgewicht (links) und axialer Versatz (rechts)
Wird der äußere Schlitten relativ zum inneren System um ΔxK
verschoben, stehen sich die Polschuhe nicht mehr gegenüber. Durch die
Verschiebung erzeugt das magnetische Feld auch eine axiale Komponente,
so dass der Kraftvektor der Grenzflächenkraft FRel
nun auch longitudinal gerichtet ist. Die Reluktanzkraft lässt sich
aufteilen in eine radial Frad und eine axial gerichtete Komponente FK. Während sich die radial wirkenden Kräfte Frad aufgrund der Rotationssymmetrie aufheben, tritt die axiale Kraftkomponente FK als longitudinal wirkende Kopplungskraft zwischen dem inneren und dem äußeren Kupplungsteil auf.
Schematischer Zusammenhang zwischen der Kopplungksraft FK und dem Versatz xK
Der Quotient aus der resultierenden Longitudinalkraft ΔFK und dem Versatz ΔxK wird als Kopplungsfestigkeit cK
bezeichnet. Je größer die resultierende axiale Kraftwirkung bei einer
vorgegeben Auslenkung ist, umso besser ist die magnetische Kopplung.

Aufgrund begrenzter Fertigungsgenauigkeit
existieren immer Bauteiltoleranzen. Diese Toleranzen führen zu
Asymmetrien im magnetischen System. Im vorliegenden Fall ergeben sich
Toleranzen bei der Konzentrizität der Kupplungsteile, so dass einseitig
radial wirkende Reluktanzkräfte Fex auftreten,
die normal auf die Gleitlagerringe des Systems wirken und eine
asymmetrische Anpressung an die Gehäusewand verursachen. Über den
Reibungskoeffizienten µR lässt sich die Reibkraft FR bestimmen, die einer axial gerichteten Reluktanzkraft FK durch die magnetische Kopplung entgegenwirkt.

Querschnitt der magnetischen Kupplung bei exzentrischer Anordnung (links),
Kraftvektoren am Gleitlager (rechts)
Über den Reibungskoeffizienten µR lässt sich die Reibkraft ermitteln:

Sie wirkt der Bewegung in x-Richtung entgegen. Im stationären Zustand existiert zwischen der Kopplungskraft FK und der Reibkraft FR ein Kräftegleichgewicht.

Über die Kopplungsfestigkeit der magnetischen Kupplung cK lässt sich der Versatz ΔxK zwischen äußerem und innerem Kupplungsteil aufgrund der Reibkraft FR berechnen.

Der Versatz ΔxK
entspricht damit der Genauigkeit, die sich bei der Einstellung der
Position über die magnetische Kopplung erzielen lässt. Es zeigt sich,
dass eine möglichst große Steifigkeit nicht als alleiniges
Gütekriterium herangezogen werden kann. Vielmehr muss die
Fertigungstoleranz bekannt sein, um die exzentrischen Reluktanzkräfte
zu berechnen. Im nächsten Schritt lässt sich dann über den
Reibungskoeffizienten die theoretische Positioniergenauigkeit ermitteln.
Über die Parameter des optischen Linsensystems,
insbesondere den axialen Verfahrweg der Linsengruppen und die
geometrischen Maße, ist der Bauraum für die magnetische Kupplung
vorgegeben. Die Richtwerte für die Volumenmaße der Magnetkupplung
wurden als Vorgaben für die Optimierung mit Hilfe von
Finite-Elemente-Modellrechnungen verwendet.
Im Anschluss an die magnetische Auslegung wurde
die Positioniereinrichtung gefertigt. Auf der Grundplatte befinden sich
zwei Aufnahmen für die rohrförmigen optischen Linsensysteme. Zentral
dazwischen ist ein Gleichstrommotor mit Stirnradgetriebe, Linearspindel
und Schlitten für die motorische Positionseinstellung aufgesetzt. Durch
die Rotation des Motors lässt sich somit eine Longitudinalbewegung der
äußeren Kupplungsteile realisieren.
Positioniereinheit zur synchronen Verstellung
von Linsengruppen für eine Stereoendoskopkamera
Für die Lagerbauteile der Kupplungseinheit
ergeben sich die größten Anforderungen an die Fertigungsgenauigkeit.
Sowohl die äußeren als auch die inneren Lagerringe bestehen aus
reibungsarmem Kunststoff. Die Gehäuserohre müssen unter Einhaltung
höchster Toleranzen präzise gefertigt werden. Die rohrförmigen Gehäuse
wurden deshalb nach dem Feindrehen poliert, um hohe Oberflächengüten zu
erzielen.

3D-CAD-Modelle der Positioniereinheit:
Gesamtansicht mit Schnitt durch die magnetische Kupplung (links)
und Detailansicht der magnetischen Kupplung (rechts)
Nach dem Aufbau des Systems wurden umfangreiche
Messungen mit zwei Triangulationssensoren zur Positioniergenauigkeit
der magnetischen Kupplungen durchgeführt. Es zeigte sich, dass die
Hysterese zwischen innerer und äußerer Magnetkupplung maximal 27 µm
beträgt. Die Genauigkeit der synchronen Bewegung von rechter und linker
Linsengruppe ist hervorragend. Maximal ergibt sich bei der
Positionierung ein Versatz von 42 µm zwischen den beiden Kanälen. Damit
sind die durch das optische Linsensystem festgelegten
Genauigkeitsanforderungen an die Positioniereinheit erfüllt. Nach dem
Einbau in das 3D-Endoskop erwies sich das Positioniersystem zur
Einstellung der Bildschärfe als äußerst gut geeignet.
Aufgrund des hohen Potentials sowie der
Besonderheiten, die der entwickelten Positioniereinheit eigen sind,
wurde die Erfindung beim deutschen Patent- und Markenamt zum Patent
angemeldet. Die Einzigartigkeit liegt hierbei in der hochgenauen
magnetischen Kopplung der Longitudinalbewegung der Linsengruppen des
rechten und des linken Optikkanals. Durch abgeschlossene Gehäuse lassen
sich die optischen Linsensysteme schützen und hermetisch kapseln.
Weitere Details lassen sich meiner Dissertation entnehmen:
Abhandlungen
zum Einsatz elektromechanischer Antriebe bei Endoskopen mit variabler
Blickrichtung sowie zu Entwicklungen der 3D-Endoskopie
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