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Navigation von autonomen
Tiefseefahrzeugen
Dr.-Ing., Dipl.-Phys. Johannes Gelze
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Das Meer ist ein wichtiger Lebens-
und
Wirtschaftsraum für die Menschen. Durch das Wachstum der
Weltbevölkerung und den hohen Bedarf an Rohstoffen, Energie
und
Lebensmitteln werden die Meere immer stärker erschlossen und
genutzt.
Dabei entstehen zahlreiche
Einrichtungen und
Strukturen unter der Wasseroberfläche. Beispielsweise handelt
es
sich um Bohreinrichtungen für die Förderung von
Öl und
Gas oder um Offshore-Windkraftanlagen. Ein Großteil der
Arbeiten
zum Aufbau und Betreiben dieser Unterwasserbauwerke werden vom Schiff
aus mit kabelgebundenen Tauchrobotern oder von Tauchern
durchgeführt. Die hohen Kosten für den Aufbau, die
Wartung
und die Inspektion dieser Einrichtungen werden maßgeblich
durch
die Bereitstellung eines Schiffs verursacht.
Besonders für
unkomplizierte und
zeitaufwändige Aufgaben, wie die Inspektion und das Monitoring
von
Unterwasserbauwerken und Meeresregionen, bietet sich der Einsatz von
autonomen Fahrzeugen an, da diese während ihrer Missionen auf
kein
Schiff angewiesen sind.
Autonome Unterwasserfahrzeuge
existieren
bereits, sie sind jedoch vor allem darauf ausgelegt, unbekannte Gebiete
zu erforschen oder zu kartographieren. Die Anschaffung solcher
Fahrzeuge ist mit einer großen Investition verbunden, da
für
die Erkundung von neuem Territorium eine spezielle, technische
Ausstattung erforderlich ist. Dies betrifft besonders ihre
Navigationssysteme, da die Positionsbestimmung der Fahrzeuge auch in
bisher nicht erforschten Regionen ohne die Kenntnis der absoluten
Position gelingen
muss.
Druckneutrales
autonomes Unterwasserfahrzeug "PreToS" im Atlantik
Wenn keine absolute Bestimmung der
Position
durch Satelliten im Weltraum oder unter Wasser durch akustische
Signale möglich ist, werden häufig
Inertialnavigationssysteme
eingesetzt. Inertialnavigationssysteme ermitteln aus Messungen der
Beschleunigung und der Drehrate des Fahrzeugs die Position. Werden
weitere Messgrößen, wie die Geschwindigkeit oder der
hydrostatische Druck bei der Bestimmung der Position
berücksichtigt, wird von einem integrierten Navigationssystem
gesprochen.
Somit gelingt durch den Einsatz
eines
Inertialnavigationssystems die Bestimmung der Position, ohne auf eine
äußere Infrastruktur angewiesen zu sein. Untrennbar
mit
diesem Vorteil ist jedoch der Nachteil verknüpft, dass der
Positionsfehler mit der Zeit anwächst. Damit der Fehler nicht
zu
schnell anwächst, sind hochgenaue Sensoren notwendig, welche
die
hohen Kosten eines solchen Systems verursachen.
Da sich in Zukunft autonome
Unterwasserfahrzeuge vielfach mit der Überprüfung von
Aufbauten und Installationen in einem bekannten Gebiet
beschäftigen werden, ist in diesem Bereich ein akustisches
System
zur Positionsbestimmung sinnvoll. Daher kann für diese
Aufgaben
auf ein hochgenaues und kostspieliges Inertialnavigationssystem
verzichtet werden.
Fällt jedoch die
akustische Navigation
aus, muss für die Kurzstreckennavigation ausreichend Redundanz
vorliegen, so dass sich die Ergänzung der akustischen
Positionsbestimmung um ein preiswertes, integriertes Navigationssystem
anbietet. Durch die Kombination beider Systeme lässt sich
insgesamt die Genauigkeit der Positionsbestimmung erhöhen und
bei
einem Ausfall des akustischen Systems ein sicherer Notaufstieg
gewährleisten.
Für Luft- und
Landfahrzeuge existieren
vergleichbare Systeme. Diese basieren auf einer Kombination aus der
Satellitennavigation, dem Monitoring des Bewegungsverhaltens des
Fahrzeugs und der Inertialnavigation. Dadurch ist es möglich,
auch
mit preiswerten Inertialnavigationssystemen eine hohe Genauigkeit bei
der Positionsangabe zu erzielen. Die genaue Bestimmung der Position
funktioniert für kurze Zeitabschnitte auch in Gebieten, in
denen
kein Satellitenempfang möglich ist.
Unter Wasser übernimmt
bei dem
Unterwasserfahrzeug PreToS (siehe obige Abbildung) die akustische
Positionsbestimmung die Rolle der Satellitennavigation. Sie
unterscheidet sich jedoch besonders in der Reichweite von der
Satellitennavigation. Akustische Signale zur Positionsbestimmung
reichen nur einige Kilometer weit.
Im Rahmen des Forschungsprojekts
„Druckneutrale Systeme für die Tiefsee“,
das vom
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
gefördert
und vom Fachgebiet Mikrotechnik der TU Berlin, der EvoLogics GmbH aus
Berlin, dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung
Warnemünde
und der ENITECH GmbH aus Rostock bearbeitet wurde, entstand ein
integriertes Navigationssystem, das für den Einsatz in einem
tiefseefähigen autonomen Unterwasserfahrzeug ausgelegt ist.
Druckneutral bedeutet, dass eingebaute Komponenten nicht durch einen
steifen Metallkörper, sondern lediglich von einem elastischen
Verguss geschützt werden.
„Druckneutrale
Systeme für die Tiefsee“: Autonomes
Unterwasserfahrzeug (AUV)
und kabelgebundener Roboter (ROV) im akustischen Netzwerk
(Access-Points)
Der Schwerpunkt der
Entwicklungsarbeit lag auf einem System, das speziell auf die Einsatz-
und Umgebungsbedingungen angepasst ist. Berücksichtigt wurden
dabei die Dynamik des Fahrzeugs, die Genauigkeit und
Positions-Update-Rate des akustischen Systems, der Umgebungsdruck von
600 bar und das korrosive Meerwasser. Weiterhin wurden
zusätzliche
Sensoren des autonomen Fahrzeugs, nämlich ein
Geschwindigkeitsmessgerät und ein Drucksensor zur Bestimmung
der
Tiefe ausgewertet, um die Position des Fahrzeugs zu bestimmen.
Bei dem entwickelten
Navigationssystem handelt
es sich um eine Sensoreinheit mit Beschleunigungs- und Drehraten-
sowie Magnetfeldsensoren und einem GPS-Empfänger, die im
Zusammenspiel mit einem druckneutralen Navigationsrechner ein
Inertialnavigationssystem bildet.
Durch die Aufteilung der
Navigationseinrichtung
in zwei Teilsysteme lässt sich der Navigationsrechner
druckneutral
aufbauen und die Sensoreieinheit mit einem Druckgehäuse
ausführen.
Für eine
kostengünstige und kompakte
Bauweise der inertialen Messeinheit bietet sich die Verwendung von
Mikrosensoren an. Die Genauigkeit solcher Mikrosensoren wurde in den
letzten Jahren stark verbessert, so dass insgesamt eine ausreichende
Genauigkeit der Messeinheit erreicht wird. Bei der Entwicklung der
Messeinheit wurde ihr Einsatz in einem tiefseefähigen,
autonomen
Unterwasserfahrzeug berücksichtigt. Ein Druckzylinder aus
hochfestem Aluminium schützt die Messeinheit vor dem
Umgebungsdruck bis 600 bar.
Die Sensoreinheit wurde im
Hinblick auf eine
hohe Genauigkeit, kleinen Abmessungen und geringen Kosten entworfen.
Die Größe und die Geometrie spielten aufgrund des
notwendigen Druckgehäuses eine besondere Rolle.
Sensoreinheit
des integrierten Navigationssystems
Basierend auf der druckneutralen
Technik wurde
ein neuartiger Computer entwickelt, der auf engstem Raum eine
beachtliche Rechenleistung bietet und im Betrieb für den
Einsatz
bis 6.000 Meter getestet wurde. Der Computer wird für die
Berechnung der Navigationslösung verwendet, lässt
sich aber
aufgrund diverser Schnittstellen auch für viele andere
Tiefseeanwendungen nutzen.
3D-CAD-Zeichnung
des druckneutralen Computers
Der Navigationsrechner durchlief
über ein
Jahr zahlreiche Tests und Erprobungen. Da bei dem druckneutralen Ansatz
des Navigationsrechners besonders der Einfluss der Druckbelastung von
Interesse ist, wurde dieser über längere Zeit mit 600
bar
belastet. Auch häufige Druckwechsel wurden bei der Erprobung
erfolgreich durchgeführt.
In der unteren Abbildung ist das
gesamte System
aus inertialer Messeinheit und druckneutralem Computer dargestellt.
Eingebaut im AUV berechnet der Computer aus allen zur
Verfügung
stehenden Messdaten mithilfe des Navigationsalgorithmus und eines
stochastischen Filters die wahrscheinlichste Position des unbemannten
Fahrzeugs.
Druckneutraler
Computer (links) mit inertialer Sensoreinheit (rechts)
Das gesamte System konnte in
verschiedenen
Einsatzfahrten mit dem druckneutralen Unterwasserfahrzeug PreToS
getestet werden. In der folgenden Abbildung ist eine Detailansicht
der PreToS mit eingebautem System zu sehen.
Eingebautes
integriertes Navigationssystem
Die Ergebnisse der Testfahrten in
der Ostsee
und im Atlantik zeigten, dass durch die Kombination der akustischen
Navigation mit dem entwickelten Inertialnavigationssystem,
das auf die
Eigenschaften des autonomen Unterwasserfahrzeug PreToS abgestimmt ist,
ein integriertes Navigationssystem vorliegt, das im Vergleich zur
akustischen Positionsbe-stimmung sowohl zu einer Verbesserung der
Genauigkeit der Positionsbestimmung als auch zu einer zeitlich
hochaufgelösten Navigationslösung führt.
Auch bei einem
Ausfall der akustischen Positionsbestimmung ist das entwickelte System
in der Lage, ein sicheres Auftauchen des Fahrzeugs zu garantieren.
Das
mit dem entwickelten Navigationssystem ausgestattete
Unterwasserfahrzeug PreToS, kurz vor dem Abtauchen in den Atlantischen
Ozean
Weitere Details über das
entwickelte
System und den erzielten Ergebnissen sind in meiner Dissertation
nachzulesen:
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