Ein aktives Trimmsystem für das AUV PreToS

Dr.-Ing. Tino Schmidt

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Die Erdoberfläche ist zu 70 Prozent von Wasser bedeckt. Dennoch sind sowohl die Meere als auch der Meeresboden kaum erschlossen und weitestgehend unbekannt. Die Rohstoffknappheit an Land führt in Kombination mit dem zunehmenden Bedarf zu steigenden Preisen. Dagegen bietet das Meer mit potentiellen Rohstofflagerstätten eine attraktive Alternative, da die Erschließung neuer Rohstoffvorkommen an Land aufwendig und teuer wird. Während die Kartografie der Landmassen der Erde mithilfe von Flugzeugen und Satelliten verhältnismäßig einfach zu bewerkstelligen ist, stellt die Erforschung des Meeres sowie des Meeresbodens hohe Anforderungen an die Unterwassertechnik.

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Das AUV PreToS im Atlantischen Ozean

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Widrige Umweltbedingungen wie schlechte Sicht, tiefe Temperaturen, starke Strömungen sowie Schwierigkeiten bei der Kommunikation und Energieübertragung erschweren eine detaillierte Kartografie des Meeresbodens. Die größte Herausforderung stellt jedoch die Tiefe der Meere dar. Der damit verbundene hydrostatische Druck steigt je zehn Meter Tiefe um ungefähr ein bar. Zudem ist eine Erforschung der Ozeane kostenintensiv. Deshalb besitzen nur wenige Länder die erforderliche Technik, um in große Tauchtiefen vordringen zu können.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) förderte im Rahmen des maritimen Verbundprojekts „Druckneutrale Systeme für die Tiefsee“ die Entwicklung von Unterwassertechnik mit über fünf Millionen Euro.


Grundstruktur des Unterwasserfahrzeugs PreToS

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Der grundlegende Aufbau der PreToS ist oben zu sehen. Das Fahrzeug ist komplett geflutet und nach dem druckneutralen Konzept aufgebaut. Der Titanrahmen (blau) bildet das tragende Gerüst und nimmt alle auftretenden Lasten auf. Weiterhin dient er als Befestigungsgestell für alle Einbaukomponenten. Der mittlere Teil des AUVs ist eine Nutzlastsektion, die sich modular auswechseln oder erweitern lässt. Um bei der angestrebten Tauchtiefe von 6.000 Meter einen neutralen Auftriebstrimm zu erreichen, muss die Masse der an der Unterseite des AUVs eingebauten Geräte kompensiert werden. Realisieren lässt sich dies mit syntaktischem Auftriebsschaum (rot). Dieser befindet sich vor allem an der Oberseite des AUVs. Dadurch sind Masse- und Auftriebsschwerpunkt soweit wie möglich voneinander entfernt, damit eine möglichst stabile Lage des AUVs im Wasser sichergestellt ist. Den äußeren Abschluss bildet eine strömungsgünstig geformte Hülle (gelb). Sie verhindert Turbulenzen und reduziert den Strömungswiderstand. Dadurch kann die PreToS energiesparend fahren und erreicht lange Einsatzzeiten.

AUVs sind generell auftriebsneutral oder leicht positiv getrimmt. Soll das AUV abtauchen oder die Tauchtiefe halten, muss das Fahrzeug vorwärts fahren, und die Ruder müssen angestellt sein. Das Kartografieren, eine der Hauptaufgaben von AUVs, ist damit problemlos möglich. Ist es jedoch gewünscht, dass das Fahrzeug Kameraaufnahmen fester Objekte macht, kann es notwendig sein, dass es bei ausgeschalteten Hauptantrieben die Tauchtiefe beibehält. Weiterhin benötigen AUVs beim Abtauchen sehr viel Energie, weil sie aktiv in die Tiefe fahren und dabei den positiven Auftrieb ausgleichen müssen. Dies bedeutet, dass die dafür benötigte Energie die Einsatzzeit des Fahrzeugs deutlich reduziert. Schließlich kann das Trimmsystem den Auftauch- und Abtauchprozess unter Einsatz von begrenzter Energie unterstützen und einen neutralen Trimm des Fahrzeugs herstellen. Damit lässt sich eine Tiefenregelung durchführen, und das Fahrzeug ist leichter manövrierbar, da kein Anteil des Vorschubs durch den Hauptantrieb in eine Vertikalbewegung einfließen muss.

Mit zunehmender Tiefe erhöht sich die Dichte des Meerwassers, so dass das Fahrzeug mehr Auftrieb generiert. Gleichzeitig erzeugt die Druckzunahme in der Tiefe eine Volumenabnahme der Materialien des AUVs. Dadurch entsteht weniger Auftrieb des Fahrzeugs. Zusätzlich gibt es Sprungschichten im Wasser, weil sich der Salzgehalt und die Temperatur plötzlich ändern. Die Auftriebsänderung hat einen nicht vorhersehbaren Einfluss auf die Unterwasserfahrzeuge. Es ist möglich, dass diese durchsacken und beispielsweise auf dem Meeresboden aufschlagen, was einen Fahrzeugverlust zur Folge haben könnte. Diese seewasserabhängigen Abweichungen des Auftriebs lassen sich durch ein Trimmsystem ausgleichen, wodurch sich die Sicherheit im Einsatz erhöht.

Das neu entwickelte Trimmsystem stellt eine Innovation für propellergetriebene AUVs dar und bietet zahlreiche Vorteile für die PreToS. Durch die Verwendung eines aktiven Trimmsystems lässt sich teure und begrenzte Schiffszeit einsparen. Außerdem können Auftriebs- und Lagetrimmverschiebungen infolge von Komponentenaustausch, -einbau und -ausbau kompensiert werden.


Verwendung des Trimmsystems zur Lageänderung

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Das Auftriebssystem der PreToS besteht aus zwei baugleichen ölgepumpten Systemen, von denen sich eines im Bug und eines im Heck befindet.Durch die Nutzung verschiedener Einsatzarten lässt sich sowohl die Auftriebskraft des AUVs einstellen als auch der Nickwinkel verändern. Der modulare und platzsparende Aufbau schafft die Voraussetzungen für einen schnellen Ein- und Ausbau und ermöglicht dadurch eine einfache Erprobung des Systems.

Die für das Trimmsystem eingesetzten Einzelkomponenten wurden im fachgebietseigenen Drucktank einer Tauglichkeitsprüfung für den Tiefseeeinsatz unterzogen. Nachdem das Versuchsmuster des aktiven Trimmsystems aufgebaut war, erfolgten Tests in einem Geräteträger in der Ostsee und im Atlantischen Ozean. Dadurch ließen sich Fehlfunktionen identifizieren und beheben, wodurch sich das Versuchsmuster iterativ verbessern ließ. Anschließend wurden zwei Trimmsysteme in das AUV PreToS integriert und in der Schlepprinne der TU Berlin sowie in der Ostsee erprobt.

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Das AUV PreToS mit negativem Nickwinkel in der Schlepprinne

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Zum Ändern des Systemvolumens und damit der erzeugten Auftriebskraft lässt sich Hydraulikfluid zwischen einem Druckkörper aus Glas und einem flexiblen Behälter verschieben. Dabei bleibt die Systemmasse konstant und das verdrängte Volumen variiert.


Druckkörper mit Hochdruckpumpe und Ventilen

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Im druckfesten Körper befindet sich eine Hochdruckpumpe, welche das Fluid durch ein Rückschlagventil in den flexiblen Behälter befördert. Das Zurückfließen in den Druckkörper steuert ein 2 / 2-Wege-Magnetventil, ein Hochdruckventil der Firma Walter Schumacher Impuls Technik GmbH. Es ist stromlos geschlossen, und der Stößel mit dem Dichtungszylinder lässt sich zur Öffnung des Ventils per Reluktanzkraft mit einer Magnetspule anziehen. Da die mitgelieferte Magnetspule nicht im Wasser einsetzbar ist, musste eine druckneutral aufgebaute Spule hergestellt, erprobt und iterativ verbessert werden. Die Spule befindet sich in einem magnetisch leitenden Rückschlusstopf, der sich mit einem Deckel verschließen lässt. Die Auslegung der Wandstärken des Rückschlusskörpers erfolgte mit dem FEM-Programm MAXWELL. Der Spulenkörper wurde mit einem neuartigen und mehrstufigen Verguss aus zwei Silikonarten umschlossen, um ihn vor dem korrosiven Seewasser zu schützen. Versuche im Labor, in der Ostsee und in der Tiefsee zeigten den erfolgreichen Dauereinsatz der Spule an Luft und im Wasser, wobei die druckneutrale Magnetspule bei verschiedenen Temperaturen und hohem Umgebungsdruck ein sicheres Öffnen des Hochdruckventils ermöglichte.

Sensoren ermitteln den Füllstand der Druckkugel und den Volumenstrom zwischen den Fluidbehältern. Zur Volumenstromüberwachung wurde ein Durchflusssensor verwendet. Die marktüblich erhältlichen Durchflusssensoren weisen entweder unzureichende Wiederholgenauigkeiten auf oder sie benötigen viel Bauraum, da sie im Offshore-Öl-Bereich eingesetzt werden und für Rohrdurchmesser von mehreren Zentimetern ausgelegt sind.

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Eigenentwicklung des Durchflusssensors, links: ISO-Ansicht, rechts: Schnittansicht

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Deswegen erfolgte eine Eigenentwicklung eines druckneutralen Durchflusssensors nach dem Verdrängungsprinzip mit Ovalrädern zur Messung von nicht leitenden Hydraulikflüssigkeiten für einen Durchfluss über 0,5 Liter pro Minute. Die Ovalräder befinden sich in einem Kunststoffgehäuse, um die Beständigkeit gegen Korrosion zu gewährleisten. Die Drehzahl der Ovalräder ermöglicht einen Rückschluss auf die durchgeflossene Volumenmenge und lässt sich mittels eines im Deckel druckneutral vergossenen Hallsensors, der die Feldänderung der Permanentmagneten in den Ovalrädern detektiert, ermitteln.

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Das Trimmsystem bei einer Tiefseeerprobung

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Bei den Ostsee- und Tiefseeerprobungen zeigte der Durchflusssensor seine hervorragende Eignung für den Einsatz in der Tiefsee und lieferte verlässliche Werte, die essentiell für den Erfolg des Trimmsystems waren.

Zur Bestimmung der Fluidmenge in der Druckkugel wurde ein Füllstandssensor entwickelt, der nach dem Schwimmer-Verfahren funktioniert. Der Schwimmerhebel ist drehbar gelagert und besteht aus syntaktischem Auftriebsschaum, so dass er auf der Fluidoberfläche schwimmt und somit dem Füllstand in der Druckkugel folgt. Der Drehwinkel des Schwimmerhebels steht in direktem Zusammenhang mit dem Füllstand in der Druckkugel und lässt sich mit einer Kombination aus einem Diametralmagneten und einem Magnetfeldsensor ermitteln.

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Innerer Aufbau der Druckkugel mit dem Füllstandssensor

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Die sichere Funktion des aktiven Trimmsystems in der Tiefsee ließ sich  im Verlauf mehrerer Schiffsmissionen nachweisen. Dies betrifft die hydraulischen Steuerungen mit der verwendeten Hochdruckpumpe und dem auf Tiefseebedingungen umgestalteten Hochdruckventil. Außerdem gelang die Überwachung des Fluidtransports mit zwei neu entwickelten druckneutralen Sensoren, dem Durchflusssensor und dem Füllstandssensor. Als zentrales Kommunikationselement wurde ein Mikrocontroller eingesetzt, der für die Datenübermittlung zum Steuercomputer und zur Ansteuerung des Hochdruckventils sowie zur Sensorauswertung genutzt wurde.

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Das aktive Trimmsystem auf dem Weg in die Tiefen des Atlantischen Ozeans

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Nach der erfolgreichen Tiefseeerprobung des Versuchsmusters wurden zwei identische Systeme in das AUV integriert. Die PreToS ließ sich infolge des negativen Auftriebs der beiden Systeme auf dem Meeresboden der Ostsee absetzen, siehe Abbildung unten.

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Mittels Trimmsystem auf dem Meeresgrund abgesetztes AUV

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Durch die Verwendung zweier redundanter Trimmsysteme im AUV ließ sich neben dem Gesamtauftrieb auch der Nickwinkel verändern. Dabei wurden Winkel von + 13° und − 6° erzielt. In der unteren Abbildung ist die PreToS mit einem durch die Trimmsysteme eingestellten positiven Nickwinkel zu sehen.

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Die PreToS mit positivem Nickwinkel

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Das aktive Trimmsystem wurde zwar speziell für das AUV PreToS entwickelt. Da es jedoch modular aufgebaut und flexibel einsetzbar ist, lässt es sich in alle Arten von Unterwasserfahrzeugen integrieren, beispielsweise in AUVs, ROVs, Unterwassergleiter oder auch bemannte U-Boote.

Alle oben genannten Ergebnisse sind in meiner Dissertation ausführlich beschrieben:


Entwicklung und Aufbau eines aktiven Trimmsystems für
autonome Unterwasserfahrzeuge




Projektpartner im Forschungsverbund "Druckneutrale Systeme für die Tiefsee":

ENITECH Energietechnik Elektronik GmbH, Bentwisch / Rostock
EvoLogics GmbH, Berlin
Fachgebiet Mikrotechnik der Technischen Universität Berlin
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde


Dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie / Projektträger Jülich gilt der Dank für die finanzielle Förderung dieses Projekts.

Förderkatalog: foerderportal.bund.de

Förderkennzeichen: 03SX276A