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1 Physikstudium und
Schwerionenphysik
Mein
Physikstudium an der Technischen Universität Berlin gestaltete sich zu Beginn
etwas schwierig, da ich mir die „reine“ Mathematik antun wollte und im ersten
Semester mit den Begriffen kaum zurecht kam, da sie mir unsinnig erschienen.
Bei nochmaliger Überarbeitung des Stoffs in der vorlesungsfreien Zeit
entwickelte ich jedoch ein großes Interesse für dieses Gedankengebäude, das mir
bis heute blieb. So war es auch nicht verwunderlich, dass ich mich für die
theoretische Physik begeisterte und zunächst dort meine Zukunft sah.
Jedoch änderte
sich dies nach einem Forschungsaufenthalt in Genf am CERN (Commitée Européenne pour la
Recherche Nucléaire). Fortan ging es darum, experimentell die Geheimnisse des
Universums zu erforschen. Es war die Zeit aufregender Entdeckungen von neuen
Elementarteilchen, die mittels Beschleunigern gelangen, deren Teilchenenergien
immer höher geschraubt wurden. Am CERN arbeitete ich am Intersecting Storage
Ring (ISR) in der Gruppe von Carlo Rubbia, der 1984 den Nobelpreis erhielt.
Aufregende Zeit in der Hochenergiephysik bei CERN
In Berlin zurück wechselte ich zur
Freien
Universität, um mich am Hahn-Meitner-Institut (HMI) in Wannsee mit
der Beschleunigung
schwerer Ionen zu beschäftigen. Dort wurde die aus damaliger Sicht
große Schwerionenbeschleunigerkombination VICKSI (van de Graff
Isochronzyklotron-Kombination zur Beschleunigung schwerer Ionen)
aufgebaut. VICKSI war bis 1995 eines der Großgeräte der
Kernphysik in Deutschland. Die Tätigkeit am HMI war viel
aufregender
und umfassender als am CERN, da ich mich mit den Themen vieler
Arbeitsgruppen
befasste und dadurch alle Facetten der Beschleunigertechnologie
kennenlernte.
Am HMI kombinierte man zwei grundsätzlich verschiedene
Beschleunigertypen,
einen bereits vorhandenen van de Graaff
Linearbeschleuniger und ein
speziell für die Beschleunigung schwerer Ionen konzipiertes
Zyklotron. Die
großen Maschinen faszinierten mich in der
Folgezeit. Das Wechselspiel von
physikalischer Erkenntnis und technischer
Umsetzung sollte mich daher
lange Zeit begleiten.
Zunächst
beschäftigte ich mich in meiner Diplomarbeit mit der Neukonzeption der
Strahlführungssysteme der beschleunigten Ionen zu den einzelnen Experimentierplätzen.
Ziel war es, die Strahlparameter des Schwerionenstrahls am Experimentierplatz
so zu justieren, dass für die einzelnen Experimente die bestmögliche Auflösung
der zu messenden physikalischen Größe resultierte. Dabei war die Einstellung vieler
Quadrupollinsen zu berechnen, unter Berücksichtigung der vorhandenen Ablenkmagnete,
wobei es galt, den späteren Nutzern möglichst einfache Einstellhilfen zur Verfügung
zu stellen. Natürlich war es großartig, dass ich nach Beendigung meines Werks,
einem Handbuch für die Nutzer, die Chance erhielt, meine Berechnungen experimentell
zu überprüfen. Der Beschleunigergruppe von VICKSI und insbesonde meinem Mentor Dr.
Karl-Hugo Maier sei an dieser Stelle für die wundervolle und aufregende Zeit gedankt.
Da nun das Experimentierwerkzeug
Beschleuniger bereit stand, lag es nahe, dieses Gerät zur Erforschung bisher
nicht bekannter Kernreaktionen einzusetzen. Und tatsächlich konnten wir schon
bei den ersten Experimenten Ereignistypen identifizieren, deren Zuordnung nicht
in das gängige Bild der Kernreaktionen passte, da es jetzt möglich war, bei den
Kernreaktionen und insbesondere der Kernfusion, extrem viel Energie und
Drehimpuls in den angeregten Summenkern „zu pumpen“. Der damalige Leiter des
Experimentierbereichs, Prof. Wolfram von Oertzen, hatte dies bereits an anderer
Stelle beobachtet und wollte das nun näher erforschen. Dabei zeigte es sich,
dass die Kernkräfte bei diesen hohen Einschussenergien den fusionierten Kern
nicht mehr zusammenhalten können. Bei der Reaktion werden sehr früh
Teilmassen „abgeworfen“, so dass zwar schwere Summenkerne übrig bleiben,
jedoch mit sehr viel geringerer Masse als bei der bloßen Addition der Massen
der Reaktionspartner. Mit der weiteren Erforschung dieser „unvollständigen Fusion“
wurde unsere Gruppe sehr bekannt. Extrem hilfreich war dabei die exzellente
Apparatur von Dr. Wolfgang Bohne, die es ermöglichte, einmalig klare Resultate zu
erzielen, um die uns alle Welt beneidete.
Doktorand am Hahn-Meitner-Institut
Kurz vor dem
Abschluss meiner Promotionsarbeit konnte ich anlässlich eines längeren Forschungsaufenthalts
Experimente am Weizmann Institut in Rehovot, Israel, durchführen. Hierbei
untersuchte ich insbesondere die eher leichten Massenverteilungen, die bei der
unvollständigen Fusion auftreten. Da ich genau wusste, wo ich nachschauen
musste, war es trotz der im Vergleich zu VICKSI niedrigeren Energie der
beschleunigten Ionen möglich, ausreichend viele Ereignisse zu sammeln, um das
Gesamtbild dieses Reaktionstyps abzurunden. Jedoch gab es in Israel nicht nur physikalische
Experimente, sondern auch unvergessliche Ausflüge in den Sinai sowie in die
judäische Wüste. An dieser Stelle denke ich mit anhaltend großer Dankbarkeit an
die Beduinen, die meiner Frau und mir das Leben retteten, da wir bei einer
risikoreichen Wanderung in der Gegend von Qumran am Toten Meer ohne ihre Hilfe verschollen und verdurstet wären.
Abgabe von über 100 Exemplaren der Inaugural-Dissertation
beim Promotionsamt der Freien Universität Berlin
Zurück in
Deutschland wurde ich zum Abschluss meiner erfolgreichen Promotion mit der
Frage konfrontiert: wie geht es beruflich weiter, da die experimentelle
Kernforschung finanziell extrem reduziert wurde und sich viele Kolleginnen und
Kollegen um die wenigen verbleibenden Stellen rauften. Ich beschloss daher,
mich mit einer noch größeren Maschine zu beschäftigen, der
Synchrotronlichtquelle BESSY in Berlin-Wilmersdorf. Allerdings
galt es nun, Elektronen auf eine definierte Endenergie zu beschleunigen und
diese möglichst lang in einem Speicherring zu halten.
Die Crew von VICKSI auf dem Isochronzyklotron in der Beschleunigerhalle
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