8 Innovative Medizintechnik: OP-Einrichtungen und Endoskope

Nachdem sich mein Team über die Jahre profunde Kenntnisse in der Elektromechanik, Magnetik und Optik erarbeitete sowie eine solide Ausbildung in der Konstruktionstechnik und zahlreichen ingenieurtechnischen Datenverarbeitungstools vorweisen konnte, trieben wir, gestützt auf diese interdisziplinären Fähigkeiten, gezielt die Fortentwicklung der Endoskopie voran. Es entstanden bei uns höchst innovative Produkte für diesen Zweig der Medizintechnik, so dass bald alle führenden Endoskop-Anbieter unsere Auftragsgeber wurden. Wir entwickelten zum Beispiel: Autofokus- und Zoomendoskope, konventionelle und kabellose Stereoendoskope, Endoskope mit variablem Seitenblick, Endoskope mit LED-Lichttechnik sowie ein RGB-Laserendoskop (siehe hierzu Kapitel 7). Der größte Anteil dieser Entwicklungen wurde von uns durch Patente abgesichert, welche die Partnerfirmen sofort übernahmen. Mit dem nachfolgend beschriebenen Verbundprojekt „Endoguide“, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, setzten wir die o. g. Anstrengungen konsequent und erfolgreich fort.

Zusammen mit der Karl Storz GmbH so­wie ihrer Firmentochter H2O entwickelten wir ab 2007 eine Reihe neuer Antriebe für die Linsen­systeme in Chip-on-the-Tip-Kameras und bauten im Rahmen bilateraler Projekte komp­lette Endos­kope auf. Hierbei entstand die Idee, die Technik der laparoskopischen Eingriffe neu zu gestalten und insbesondere auf die Kameraassistenz zur Führung des Endoskops zu verzichten.

In dem vom BMBF finanzierten Projekt Endoguide wurden von den Projektpartnern FIRST, Karl Storz GmbH, H2O / MIC GmbH, Paul Peschke GmbH sowie meinem Fachgebiet interdisziplinäre Lösungen erarbeitet, um die Ergonomie sowie die Sicherheit bei der Laparoskopie zu erhöhen und die laufenden Kosten zu senken.

Endoskopisch unterstützte minimal-invasive Eingriffe hinterlassen geringe Ver­let­zungen und füh­­­ren in der Re­gel zu einer schnellen Genesung der Patienten. Bei den Operationen betätigt der Chirurg mit beiden Händen Instrumente mit langem Schaft, die durch kleine Einschnitte in den Bauchraum eingeführt werden. Die Hand-Auge-Koordination des Arztes ist allerdings stark behindert, da ein hinter ihm stehender Assistent das Endoskop hält und es auf seine Anwei­sung schwenkt, um das Sichtfeld zu erweitern. Der Chirurg kann infolge der Präsenz des Assistenten nicht mehr frei agieren, wobei auch dessen starre Haltung schnell zu seiner Ermüdung führt.

In den letzten Jahren wurden daher Halterungen entwickelt, an denen man Endos­ko­pe be­weglich befestigen oder auch ak­ti­v bewegen kann, mit dem Ziel, den Assistenten zu er­set­zen. Bei einer wesentlichen Änderung der Blickrichtung ist es jedoch erforderlich, die En­dos­kop­­halterung neu zu justieren, wobei meist beide Hände des Chirurgen benötigt werden. Dies führt zu Unterbrechungen und verlängert den Eingriff. Die für den Einsatz im OP-Bereich kommerziell vertriebenen Haltevorrichtungen wur­den entweder an der OP-Liege befestigt oder es handelte sich um fahrbare Einheiten, die seitlich davon stehen, wodurch gleichermaßen die Bewegungsfreiheit des Chirurgen eingeschränkt wird. Eine weitere Behinderung stellen die am Boden geführten Kabel oder Schläuche dar.

Im Projekt Endoguide verfolgten wir einen völlig neuen An­satz, in­dem wir eine bewegliche Endoskop-Haltevorrichtung an der Decke anbrachten, so dass die Zugänglichkeit zum Patienten keiner Einschränkung unterliegt. Das Endoskop wird durch eine mecha­nische Halterung fixiert und muss somit während der Operation nicht manuell bewegt werden. Dadurch sinkt die Gefahr, den Patienten mit dem Endoskop zu verletzen. Die motorisierte En­dos­­kop­auf­nahme stellt eine weitere Innovation dar, da sie eine beliebige Ein­stellung des Blickwinkels sowie Zoom- und Fokusaktionen erlaubt. Dabei kann der Arzt wahlweise verschiedene Schnittstellen nut­zen, um die Blickrichtung des Endoskops zu lenken, beispielsweise durch Fuß­schalter oder durch Sprach-, Gesten- und Blicksteuerung. Ins­gesamt entstand im Rahmen des Projekts Endoguide ein innovatives Assistenz­sy­stem, wel­ches die Tätigkeit der Chirurgen bei minimal-invasiven Eingriffen erheblich erleichtert und für die zu­künftige Gestaltung von Operationsräumen neue Perspektiven liefert.

Projektteam Endoguide, von links: Dipl.-Ing.s. Bastian Blase, Daniel Brüggemann, Florian Bühs, Sebastian Schlegel, Robert Dreyer, Stefan Oginski, Martin Kelp

Die Entwicklungsziele des Projekts Endoguide betrafen die Unterstützung des Chirurgen durch den Einsatz von Virtual Reality (VR)- / Augmented Reality (AR)-Techniken sowie die Substitution des Assistenten durch eine flexible Halterung des Endoskops, die aus einer an der Decke befestigten Haltevorrichtung mit vielen Freiheitsgraden besteht, so dass jede beliebige Position am Patienten erreichbar ist. Infolge der Deckenmontage verlaufen keine den Operateur behindernden Versorgungsleitungen am Boden. Durch eine motorische Decken­verfahreinheit lässt sich der Halte­arm bei Nichtbenutzung aus dem Operationsfeld fahren.

Im Rahmen dieses Entwicklungsprojekts erzielten meine Mitarbeiter eine Reihe herausragender Neuentwicklungen. Hierzu zählen der Deckenarm mit verschiedenen flexiblen Haltesystemen, Be­we­gungsvorrichtungen um das Endoskop oder auch die Endoskopspitze in dem vom Operateur gewünschten Raum zu bewegen sowie auch die Ausstattung bestehender Endoskopkameras mit automatisierten Autofokus- und Zoomeinrichtungen, wobei wir, so weit möglich, alle Entwicklun­gen anhand von Patentanmeldungen absicherten, die von Karl Storz übernommen wur­den.

Positionier- und Haltevorrichtung

Die Positionier- und Haltevorrichtung ist mittels eines Schienensystems an der Decke montiert. Der Aufbau setzt sich aus legierten Aluminiumrohren zusammen, die durch eine Vielzahl arretierbarer Drehgelenke verbunden sind. Hieraus resultiert eine hohe Bewegungsfreiheit, so dass sich ein Endoskop an beliebigen Positionen und allen erforderlichen Winkelstellungen an dem Patienten fixieren lässt und der Operateur frei agieren kann. Der Arm lässt sich wegklappen oder auch über eine Deckenschiene aus dem Operationsfeld fahren. Die folgende schematische Darstellung zeigt die Haltevorrichtung in Arbeitsstellung, wobei sie ein Endoskop hält.

Haltearm zur Positionierung und Fixierung eines Endoskops

Der Haltearm lässt sich an einer Deckenschiene zum OP-Tisch fahren. Die oberen drei Gelenke des Arms dienen zur Vorpositionierung des unteren Teils. Die Feinjustage der Endoskopstellung erfolgt über die Ausrichtung der unteren Armsegmente. Die Idee zur Gestaltung sowie die Ausführung des Haltearms beruhen hauptsächlich auf Arbeiten von Dipl.-Ing. Stefan Oginski.

Das Bild unten zeigt einen Kunstpatienten auf einer Liege in einem für das Entwicklungsprojekt geschaffenen Drylab-Versuchslabor, das wir zu Übungs- und Demonstrationszwecken als OP-Bereich einrichteten. Der Schaft des am Haltearm fixierten Endoskops befindet sich im Abdomen, so dass der Arzt am dahinter befindlichen Monitor die Aufnahme eines Teils des Bauchraums inspizieren kann.

Das von uns entwickelte Haltesystem verfügt über eine Vielzahl von Freiheitsgraden zur Änderung der Blickrichtung des Endoskops. Um eine Rundumschau des Arbeitsbereichs zu gewinnen, kann der Chirurg wahlweise durch Fuß­schalter oder durch Sprach-, Gesten- und Blicksteuerung den Schaft drehen, die Endoskopspitze abknicken oder anhand einer Zoomoptik den Blickwinkel und damit die Bildvergrößerung ändern (siehe hierzu Kapitel 7). Dies bietet dem Arzt die Möglichkeit, frei zu agieren und ohne die Hilfe eines Endoskopassistenten den gewünschten Bereich im Abdomen zu untersuchen.

Haltearm mit Endoskop im Kunstpatienten.
Der Monitor rechts zeigt eine Aufnahme aus dem Abdomen

Das Endoskop ist am vorderen Ende einer verschiebbaren Teleskopstange über eine lösbare Kupplung fixiert, so dass der Arzt bei der Einführung des Endoskops in das Abdomen anhand einer Vielzahl von Dreh- und Kugelgelenken die Position und den Winkel des Endoskops frei einstellen kann (siehe Bild unten). Ist die gewünschte Endoskopstellung erreicht, lassen sich die Gelenke des Arms mit Bremsen feststellen. Die zugehörige Bedieneinheit befindet sich über dem rechtwinklig abknickenden Gelenk mit der anschließenden Teleskopführung. In der folgenden Abbildung demonstriert Dipl.-Ing. Stefan Oginski den Gebrauch des Teleskoparms und der Gelenke bei der Einführung des Endoskops in das Abdomen eines Patienten.

Dipl.-Ing. Stefan Oginski erklärt die Handhabung des Teleskoparms
Elemente des Haltearms

Die drei Drehgelenke im oberen Teil des Haltearms werden aufgrund der vorliegenden Hebelarme durch Biegebelastung und Torsionsbeanspruchung am stärksten beansprucht. Um die zum Betätigen und Lösen der Bremsen nötige Aktorkraft zu reduzieren, nutzten wir Lamellenbremsen. Zum Lösen der Bremse zieht ein Aktor den Klemmschlitten von den Bremslamellen weg, wodurch sich das Gelenk drehen lässt.
Hierfür kann man einen Elektromagneten nutzen, der anhand Reluktanzkraft die durch Federn zusammengedrückten Bremslamellen löst. Untersuchungen zeigten jedoch, dass sich eine ausreichende Kraftwirkung nur durch einen großen und schweren Elektromagneten erzielen lässt. Daher wurde diese Lösung verworfen.

Als weitere Variante kam ein Elektromotor mit Gewindespindel in Betracht, wobei eine Spindelmutter über mehrere Druckfedern gegen die Bremslamellen drückte. Das Bremsmoment lässt sich über den Spannweg der Druckfedern einstellen. Da hierfür ein Servogetriebemotor mit Ansteu­erung erforderlich ist, resultieren hohe Kosten. Schließlich lassen sich aufgrund der im Inneren drehenden Spindel keine elektrischen, bzw. pneumatischen Leitungen durch die Gelenke führen. Die motorische Lösung wurde daher ebenfalls nicht weiterverfolgt.

Bei den pneumatischen Aktoren boten sich pneumatische Muskeln an (Firma Festo), die sich bei Druckbelastung kontrahieren und eine hohe Anfangskraft liefern. Zum Lösen einer Lamellenbremse reichen wenige Millimeter Weg. Pneumatische Muskeln erwiesen sich daher als geeignete Lösung. Die Abbildung unten links gibt die Schnittzeichnung eines Drehgelenks wieder, das durch einen pneumatischen Muskel gelöst wird. Es erfordert einen Betriebsdruck von mindestens fünf bar und wiegt 3,5 Kilogramm bei einem Außendurchmesser von 90 Millimeter.
Die Abbildung unten rechts zeigt ein fertig montiertes Drehgelenk. Auf der Oberseite sind ein Druckluftschlauch und ein Kabel mit Steckverbinder erkennbar. Die elektrischen Leitungen dienen zur Medienversorgung des unteren Teils des Haltearms. Sie werden anhand von zwei in der Gelenkwelle eingelassenen Nuten durch das Gelenk ­geführt. Der Druckluftschlauch zur Versorgung der verbleibenden Ge­lenke verläuft durch den pneumatischen Muskel. Die Gelenke lassen sich beliebig drehen, da kommerzielle Drehdurchführungen die elektrischen Leitungen vor dem Tordieren schützen, während eine Eigenentwicklung die drehsichere Durchführung der pneumatischen Leitungen gewährleistet.

Schnittansicht des pneumatisch lösbaren Drehgelenks zur Vorpositionierung (links),
fertig aufgebautes Drehgelenk (rechts)

Die pneumatische Arretierung der Gelenke lässt sich mit Steuerschaltern lösen, die sich oberhalb eines Gelenks mit horizontaler Dreh­achse befinden (siehe Abbildung unten rechts). Das Gelenk definiert die Neigung des angeschlossenen Teleskops. Eine Schnittansicht dieses Gelenks (Abbildung unten links) veranschaulicht dessen Aufbau. Anstatt eines pneumatischen Muskels findet ein Kolbenaktor mit geringer axialer Baulänge Anwendung. Die Druckluft schiebt den Kolben in das Innere des Gelenks und verrückt dabei den Druckstift, die Druckhülse sowie den Klemmschlitten, so dass sich die Bremslamellen lösen, das Gelenk ist drehbar.

Schnittansicht des Gelenks zur Einstellung der Teleskopneigung (links),
Drehgelenk zur Einstellung der Teleskopneigung mit den Steuerschaltern (rechts)

Mit dem Teleskoparm (Bild unten) lässt sich das Endoskop längs verschieben und um die Mittelachse des Arms drehen. In der Halteposition des Endoskops ist es daher erforderlich, die Translation sowie die Rotation durch ge­eignete Bremsen zu blockieren.

Teleskoparm zur Translation und Rotation der Endoskopbefestigung

Die Blockade der Translationsbewegung erfolgt anhand einer verschiebbaren Bremsbacke (siehe Bild unten), die mit vier Federn gegen das Teleskoprohr gedrückt wird. Ein pneumatischer Membranaktor löst die Bremse gegen die Federkraft. Bei der Längsverschiebung des Teleskoprohrs sorgt eine ab­roll­bare Energieführungskette vom Gehäuse zum Teleskoprohr für die flexible Führung der elektrischen und pneumatischen Leitungen. Da die rotatorische Bremswirkung der Backenbremse nicht ausreicht, wurde zusätzlich eine Rotationsbremse eingebaut, die als La­mel­len­brem­se aus­geführt ist und mit einem Kolbenaktor betätigt wird, siehe Bild unten.

Translations- und Rotationsbremse im Ausbruch,
Bremsbacke rechts, Lamellen der Rotationsbremse links

Für die flexible Feinpositionierung des Endoskops befinden sich am vorderen Ende des Teleskops ein Schwenk- und ein Drehgelenk, siehe Bild unten. Die Schwenkbewegung um das Teleskoprohr lässt sich mit einer Lamellenbremse anhand eines Kolbenaktors fixieren, wohingegen das Drehgelenk zur Variation des Endoskopeingriffwinkels mit einer Doppelkegelbremse versehen ist, die mit einem Kolbenaktor betätigt wird.

Schwenk- und Drehgelenk für das Endoskop im Ausbruch (links),
Schwenk- und Drehgelenk montiert (rechts)

Bei dem von uns entwickelten Haltesystem wird das Endoskop durch die pneumatisch arretierbare Halterung fixiert und muss während der Operation nicht bewegt werden. Dadurch sinkt die Gefahr, den Patienten mit dem Endoskop zu verletzen, deutlich. Die Nachführung des Bildausschnitts erfolgt wahlweise durch die Abwinklung der Endoskopspitze (siehe Kapitel 7) oder durch die Variation der Blickrichtung anhand eines Schwenkprismas (siehe unten).

Präsentation auf der Medizintechnik-Messe MEDICA

Wir stellten während der Medizintechnik-Messe MEDICA in Düsseldorf im Winter 2010 dem dortigen Publikum die Ziele des Projekts Endoguide vor und erläuterten anhand von praktischen Vorführungen den Einsatz des Haltearms und eines Endoskops am Kunstpatienten die Vorteile dieser Neuerung für den OP-Bereich (siehe folgendes Bild).

Dipl.-Ing. Stefan Oginski führt auf der MEDICA den Gebrauch des Haltearms vor

Dabei wurde die Positioniervorrichtung für das Endoskop in Diskussionen mit dem Fachpublikum anerkennend gewürdigt. Operativ tätige Ärzte betonten die Notwendigkeit einer solchen Entwicklung.

Dipl.-Ing.s Daniel Brüggemann und Sebastian Schlegel
vertreten das Fachgebiet FMT auf der MEDICA

Großes Interesse bestand auch an der aktorisch abwinkelbaren Spitze mit der Chip-on-the-Tip Kamera (Bild unten, näheres siehe Kapitel 7), sowohl seitens der Hersteller von Medizintechnikprodukten, als auch seitens der im OP-Bereich tätigen Ärzte.

Dipl.-Ing. Florian Bühs erläutert während eines Projekttreffens den Aufbau
sowie die Funktion seiner Entwicklung einer abwinkelbaren Endoskopspitze
Optisches Lageerfassungssystem

Im Gegensatz zu offenen Operationen, bei denen der Arzt den gesamten OP-Situs einsieht, ist die Lage der Instrumentenspitzen im Bauchraum nicht immer bekannt, da die Endoskopoptik nur einen beschränkten Blickwinkel erfassen kann. Ein weiteres Projektziel bestand daher darin, Methoden der virtuellen Realität zu erproben, um beispielsweise die Position und die Ausrichtung der Instrumente, welche mit einem Lageerfassungssystem gewonnen werden, in die 3D-Darstellung des Abdomens einzublenden und diese Information auf einem Bildschirm wiederzugeben.
Um eine hohe Genauigkeit bei der Ortung der Instrumente zu erzielen, setzten wir das optische Tracker-System PolarisSpectra der Firma NDI ein. Es besteht aus zwei Kameras und einem Infrarot-LED-Array. Bestückt man die Instrumente mit optischen Markern, lässt sich deren ge­naue Position und Ausrichtung im Raum durch Reflektion der ausgesandten Infrarotstrahlung über Triangulation durch die Kameras innerhalb eines Arbeitsraums von mehr als einem Kubikmeter auf 0,5 mm genau erfassen (optisches Tracken). Damit lassen sich bis zu 15 ver­­schiedene Instrumente im Arbeitsraum verfolgen.

Dipl.-Ing. Martin Kelp demonstriert das optische Tracking und
steuert den Blickwinkel des Endoskops anhand von Sprachbefehlen

Die Abbildung oben zeigt eine typische OP-Situation, in der Dipl.-Ing. Martin Kelp mittels der beiden Endoskopbilder auf den linken Bildschirmen seine Aktionen visuell verfolgt, die er im Abdomen des Kunstpatienten ausführt. Auf dem rechten Monitor ist eine 3D-Abbildung des Abdomens dargestellt, welche beispielsweise durch Computertomographie gewonnen wurde. Mit Hilfe des optischen Trackings erhält man die aktuellen Positionen und Posen der OP-Instrumente inklusive des Endoskops und kann diese ebenfalls am Bildschirm einblenden. Dies erlaubt dem Arzt, die Bewegungsvorgänge der Instrumente und des Endoskops auf dem Monitor rechts als Graufarben-Bild zu verfolgen.
An den Instrumenten erkennt man im Handbereich die optischen Marker, welche das Infrarotlicht des LED-Arrays reflektieren. Die zur Triangulation genutzten zwei Kameras sind, ebenso wie das LED-Array, in einer Einheit untergebracht, die auf einem Stativ links oben befestigt ist (siehe auch Bild unten).

Dipl.-Ing.s Daniel Brüggemann, Martin Kelp und Bastian Blase (von links nach rechts) untersuchen anhand des Endoskopbilds und der VR-Darstellung
die Präzision beim optischen Tracking

Das nächste Bild erlaubt eine deutlichere Sicht auf den OP-Bereich und die optischen Marker an den Instrumenten. Der Schaft des an der Haltevorrichtung befestigten Endoskopiesystems befindet sich, geführt über einen Trokar, teilweise im Bauchraum des Kunstpatienten. Zwischen dem Endoskopschaft und der Endoskopkamera Image 1 HD der Firma Karl Storz sind eine Reihe von Erweiterungsmodulen eingefügt, welche eine variable Blickrichtung im Abdomen ermöglichen, siehe Abschnitt weiter unten.

VR-Monitorbild der Lage und der Posen des Endoskops
inklusive der Instrumente im Abdomen
Modulare Erweiterung des Endoskopiesystems

Die Arretierung des Endoskops am Haltearm sowie der Verzicht auf einen Kameraassistenten bedingen Funktionserweiterungen für das Endoskopiesystem, um die Steuerung der Blickrichtung durch die Rotation des Endoskopschafts und das Schwenken eines Prismas oder das Abknicken der Endoskopspitze zu bewerkstelligen. Zu diesem Funktionsbereich gehören auch die Zoom- und Fokusaktionen. Hierzu erarbeitete die Arbeitsgruppe des FMT Erweiterungsmodule, welche die vom Projektpartner Karl Storz vertriebene Endoskopkamera Image1 HD sowie das Schwenkprismenendoskop Endocameleon in der Weise ergänzten, dass sich die o. g. Funktionen durch den Arzt durch berührungslose Interaktionen, beispielsweise Augen- und Sprachsteuerung oder durch Gesten sowie Fußbedienung, ausführen lassen. Dabei wurden die Erweiterungsmodule so ausgelegt, dass sich die Endoskope variabel im OP einsetzen lassen, wahlweise als Standard-Endoskop bei herkömmlichen minimal-invasiven Eingriffen oder auch in Funktionseinheit mit dem Haltearm.

Parallel zur Entwicklung der Erweiterungsmodule für den Einsatz von Standard-OP-Systemen am Haltearm, entwickelte das FMT-Team völlig neue Konzepte zum Endoskopaufbau, gleichermaßen mit dem Ziel, die Blickrichtung des Endoskops sowie den Blickwinkel und die Fokussierung variabel einzustellen. Dies betrifft die Arbeiten zum Abknicken der Endoskopspitze sowie auch alle Entwicklungen von Chip-on-the-Tip-Kameras (vgl. Kapitel 7).

Bei den Erweiterungsmodulen handelt es sich um Bauteile, welche sich zwischen dem Endoskop und der Kamera befinden, womit sich der Endoskopschaft drehen und das Schwenkprisma durch Antriebe kippen lässt. Das Bild unten links zeigt einen Rotationsadapter im Schnitt. Dieses Bauteil wird zwischen Endoskop und Kamera eingefügt. Es besteht aus einen drehbaren Teil, der mit Hilfe einer Kupplung das Endoskop aufnimmt und einem feststehenden Teil, der am Ende eine Oku­larmuschel aufweist, an welche man die Endoskopkamera anschließt. Der drehbare Teil ist in dem feststehenden Teil rotierbar gelagert. Da sich der Rotationsadapter zwischen Endoskop und Kamera befindet, die im Normalfall in direktem optischen Kontakt stehen, ist es notwendig, ein optisches System zu inte­grieren, welches als optisches Relais agiert und eine 1:1 Abbildung er­zeu­gt.

Schnittansicht des Rotationsadapters (links), komplettes Modul (rechts)

Im Bild oben links sind folgende Komponenten zu erkennen: feststehender Teil (grün), drehbarer Teil (braun), Lager (dunkelblau). Das optische Linsensystem ist im feststehenden Teil integriert (hellblau). Am drehbaren Teil ist die Kupplung (schwarz) befestigt, die das Endoskop aufnimmt. Die Kupplung dreht sich mit dem drehbaren Teil des Adapters und überträgt die Rotation auf das Endoskop. Die Drehbewegung wird mit Hilfe eines im feststehenden Teil integrierten Antriebsmotors (schwarz / grau) und eines Stirnradgetriebes (gelb) übertragen.
Das Bild oben rechts zeigt eine Ausführung des Rotationsadapters, welche für das Haltesystem konzipiert wurde. Er bildet das Bindeglied zwischen Endoskop und Kamera. Der Adapter lässt sich am Haltearm mittels einer Schnellkupplung ohne Werkzeug montieren (Vierkantaufnahme).
Der Rotationadapter ermöglicht den schnellen Anschluss aller gebräuchlichen Endos­kope. Da dessen Befestigung über die Okularmuschel erfolgt, sind Endoskope aller Schaftdurchmesser schnell montierbar. Aufgrund der Fixierung der Kamera an der auf der Rückseite befindlichen Okularmuschel, lassen sich auch alle gängigen Kameras montieren.

Ein weiterer, kurzer Rotationsadapter erfordert kein optisches System. Die Zwischenoptik lässt sich einsparen, indem man die Kamera direkt auf der Okularmuschel des Endoskops befestigt. Diese Adapterversion lässt sich allerdings nur mit dem Endocameleon nutzen und ist aufgrund der eingeschränkten räumlichen Verhältnisse sehr flach auf­gebaut, so dass die Okularmuschel des Endocameleons hinten herausschaut (vgl. Abbildung unten rechts), woran sich die Endoskopkamera montie­ren lässt. Die Drehwinkeleinstellung des Endoskopschafts erfolgt durch einen im Gehäuse eingebauten Servomotor.

Verbindung des Endocameleons mit dem kurzen Rotationsadapter

Die folgende Abbildung zeigt den Aufbau des Endocameleons mit dem flachen Rotationsadapter und der Endoskopkamera, die hier allerdings durch optische Marker verdeckt ist. Diese Einheit lässt sich anhand der seitlich am Adapter angeordneten Schnellkupplungselemente an den Haltearm ankoppeln.

Endocameleon mit flachem Rotationsadapter und Endoskopkamera

Durch die Entwicklung einer weiteren Adaptervariante lässt sich zusätzlich zur Endoskoprotation auch das Schwenkprisma für die Seitenblickoptik des Endocameleons (vgl. Kapitel 7) aktorisch bewegen, so dass der Arzt anhand der Drehung des Endoskopschafts und der Kippung des Schwenkprismas einen kompletten Überblick des Abdomens erlangt. Die folgende Skizze verdeutlicht den Aufbau dieses Antriebsmoduls zur Steuerung der Schwenkpris­menverstellung und der Endoskoprotation.

Skizze des Antriebsmoduls zur Drehung des Endoskopschaft
und zur Betätigung des Schwenkprismas

Im Rahmen des Projekts Endoguide kam hauptsächlich das von Dipl.-Ing. Martin Kelp modifizierte Schwenkprismenendoskop Endocameleon zum Einsatz, bei dem die Prismenverstellung nicht von Hand, sondern mit einem Aktor gesteuert ausgeführt wird (vgl. Kapitel 7). Das folgende Bild zeigt Herrn Kelp bei der Demonstration des Schwenkprismenantriebs aus Anlass eines Projekttreffens.

Dipl.-Ing. Martin Kelp erläutert die Funktion des von ihm entwickelten Schwenkprismenantriebs durch die Bildgebung an einem Testobjekt

Das Schwenkprismenendoskop ist im Antriebsmodul befestigt. Der innere Teil des Antriebsmoduls ist drehbar gegenüber dem äußeren, feststehenden Teil gelagert und lässt sich mit einem Motor (1) drehen. Dabei rotiert auch das Schwenk­pris­menendoskop (B). Die Image 1 HD Kamera (3) ist auf der Okularmuschel des Endoskops montiert und über eine Drehmomentstütze (4) mit dem feststehenden Teil des Antriebsmoduls verbunden, damit beim Rotieren des Endoskops (B) der Bildhorizont bestehen bleibt. Für eine unbeschränkte Wahl der Blickrichtung ist neben der Endoskoprotation (B) die Abwinklung des Schwenkprismas (A) erforderlich. Diese erfolgt durch Verdrehen eines Stellrings. Ein zweiter Motor (2) treibt über ein Getriebe Reibräder an, die diesen Bedienring verdrehen und damit die Schwenkwinkelverstellung realisieren. Am Gehäuse des Antriebsmoduls befinden sich Kupplungen zur Befestigung des Rotationsadapters an dem deckengebundenen Haltesystem.

Die Aufnahme der Endoskopbilder erfolgt mit der Kamera Image 1 HD des Projekt­partners KST. Deren Fokus- und Zoomeinstellung geschieht bisher manuell, durch Drehung eines Außenrings, der über eine Magnetkupplung die Verschiebung von Linsen im Innern der Kamera bewirkt. Wir entwickelten eine Antriebslösung, bei der ein Aufsteckadapter mit kleinen Motoren die ma­­­nuell verstellbaren Drehräder der Ka­me­ra antreibt. Die folgende Abbildung zeigt links die ursprüngliche Kamera mit den manuell zu be­tätigenden Dreh­rädern. Daneben ist rechts die modifizierte Kamera mit dem Prototyp des Aufsteckadapters gezeigt. Die Ansteuerung der Motoren erfolgt über Taster, die sich in einer Fernbedienung befinden.

Image 1 HD-Kamera der Firma KST ohne (links) und mit Antriebsadapter (rechts)

Das Endoskopsystem mit dem Antriebsmodul und dem Antriebsadapter für die modifizierte Image 1 HD Kamera ist in der folgenden Abbildung als CAD-Modell dargestellt. Ein seitlicher Aufsatz enthält die Antriebe für die Rotation des Endoskopschafts sowie für die Bewegung des Schwenkprismas.

CAD-Modell des Endoskopsystems mit Endocameleon,
Antriebsmodul und Endoskopkamera

Die folgende Abbildung zeigt das komplett aufgebaute Endoskopsystem mit Antriebsmodul und Antriebsadapter im Einsatz. Es ist über die Schnellkupplung am Haltearm befestigt. Unterhalb des linken Monitors befinden sich Mikrofone zur Sprachsteuerung, hierzu siehe nächsten Abschnitt.

Komplett aufgebautes Endoskopsystem am Haltearm
Erprobung der Sprach- und Gestensteuerung am Endoskopsystem

Im Projekt Endoguide wurden interdisziplinäre Lösungen erarbeitet, um dem Operateur die direkte Kontrolle über sein Blickfeld zu geben, ihn durch den Einsatz von Virtual Reality (VR)- / Augmented Reality (AR)-Techniken zu unterstützen und den Assistenten durch eine mechanische Halterung zu ersetzen. Hierzu richteten die Projektpartner Karl Storz, How-to-Organize und Fraunhofer FIRST Mensch-Maschine-Schnittstellen ein, um diese am erweiterten Endocameleon am Haltearm praktisch zu testen. Dies betraf die Variation des Blickfelds (Drehschaft, Schwenkprisma) sowie die Einstellung des Bildwinkels (Zoom) und der Bildschärfe (Fokusfunktion) anhand von Sprachsteuerung, Kopfsteuerung oder Blicksteuerung.

Diese Schnittstellen standen uns nach Projektende nicht mehr zur Verfügung, da die Projektpartner die Hardwarekomponenten der Mensch-Maschine-Schnittstellen für eigene Forschungszwecke nutzten, so dass wir für Testzwecke eine kommerziell verfügbare berührungslose Steuerung einsetzten, die auf dem Sensorsystem Kinect der Firma Microsoft aufbaute, welches im nächsten Bild oberhalb des Monitors zu erkennen ist.

Sensorsystem Kinect mit Mikrofonen für die Sprachsteuerung
sowie Kamerasystemen zur Gestensteuerung

Die Kinect ist ein Sensorarray, welches die Aufnahme von akustischen Signalen, RGB-Bildern und deren Tiefeninformation im Blickfeld der Sensoren ermöglicht. Über die Auswertung dieser Informationen lässt sich eine Sprach- und Gestensteuerung implementieren.

Für die Aufnahme von Sprachbefehlen stehen bei der Kinect vier Mikrofone zur Verfügung, wobei man anhand der Analyse von Laufzeitmessungen auch die Position der Geräuschquelle ermitteln kann. Meine wissenschaftlichen Mitarbeiter untersuchten eingehend die Einsatzmöglichkeiten der Sprachsteuerung im OP-Bereich und testeten unterstützt durch optisches Tracking verschiedene Szenarien zur Änderung der Blickrichtung, zur Vergrößerung des Bilds und zu dessen Scharfeinstellung (siehe Bild unten).

Dipl.-Ing.s Daniel Brüggemann, Martin Kelp und Stefan Oginski (von links nach rechts)
erproben die Sprachsteuerung zur Änderung der Blickrichtung des Endoskops

Zur Erstellung eines Tiefenbilds projiziert ein Infrarotprojektor ein nicht sichtbares Punktmuster in den Raum. Die Kameras detektieren die Reflexe an Gegenständen oder Personen, woraus durch Triangulation ein Tiefenbild des Raums erzeugt wird. Hiermit lassen sich die Umrisse von Menschen identifizieren sowie die Lage von Armen und Beinen räumlich erfassen, wodurch die Kinect Handgesten erkennt. Um die Sprach- und Gestensteuerung mit der Kinect zu bewerkstelligen, war es erforderlich, die Sprachmuster sowie die Kamerabilder softwaretechnisch auszuwerten, eine Aufgabe, die Dipl.-Ing. Sebastian Greiner löste. In der folgenden Abbildung testet er die Gestensteuerung für verschiedene Endoskopfunktionen.

Gestensteuerung des Endoskops mit dem Sensorsystem Kinect

Da der Gebrauch der Gestensteuerung einige Übung erfordert, wies Dipl.-Ing. Sebastian Greiner eine Reihe meiner Mitarbeiter in die Bedienung ein (siehe folgendes Bild).

Dipl.-Ing. Moritz Büchel testet die Gestensteuerung mit der Kinect
nach Hinweisen von Dipl.-Ing. Sebastian Greiner

Zusammenfassend lassen sich nach dem Abschluss des Endoguide-Projekts sehr viele erfreuliche Ergebnisse festhalten: Es entstanden während dieser Zeit sieben herausragende Dissertationen, zehn anspruchsvolle Diplomarbeiten, 19 Studien- und Projektarbeiten, 12 Bachelor- und zwei Masterarbeiten, 12 Patente und zahlreiche internationale Veröffentlichungen. Wir erhielten zur Finanzierung unseres wissenschaftlichen Personals vom BMBF fast eine Million Euro Forschungsgelder. Die FMT-Medizintechnik-Gruppe entwickelte höchst innovative und produktnahe Komponenten für die Endoskopie und für moderne OP-Einrichtungen, die noch lange Zeit den Fortschritt der minimal-invasiven Technik beeinflussen werden.